Teamchef Florian Monreal im Interview

Teamchef Florian Monreal bilanziert im Interview mit radsport-news.com die vergangene Saison und gibt einen Ausblick in die Zukunft.

Herr Monreal, wie fällt Ihre Saisonbilanz aus?

Monreal: Unsere Saisonbilanz fällt gemischt aus, wir haben durch Jonas Rutsch die Bundesliga-Gesamtwertung gewonnen und sind Zweiter der Mannschaftswertung geworden. Dies ist wieder ein Zeichen unserer Konstanz, was die Bundesliga betrifft. Wir haben in den letzten sechs Jahren der Teamgeschichte fünf Mal die Bundesliga gewonnen und sind zwei Mal Zweiter geworden mit Jonas 2018 und Joshua Huppertz 2017. Wir haben aber nur einen Einzelsieg in der abgelaufen Bundesligasaison eingefahren - durch Jonas im Sauerland - und standen nie mit der Mannschaft ganz oben. Das wollen wir in 2020 wieder ändern. Was die europäischen Renneinsätze betrifft, sind wir nach wie vor Deutschlands bestes Kontinentalteam, da wir hier durch Jonas bei der Tour de Luxemburg, Tour de Alsace, Rund um Köln, Tour of Rhodos und die U23 Nationscup-Rennen in die Top Ten gefahren sind.

Was waren die Highlights, welche Enttäuschungen mussten Sie verkraften?
Monreal: Absolutes Highlight war, dass Jonas die U23-Ausgabe von Gent-Wevelgem gewonnen hat, dies war der erste Nationscup-Sieg von einem unserer Fahrer. Außerdem wurde er Fünfter bei der Flandern-Rundfahrt der U23. Nicht zu vergessen war die Solofahrt auf der letzten Etappe der Deutschland Tour von Joshhua, er wurde mit der Ehrung zum aktivsten Fahrer der letzten Etappe belohnt. Eine wirkliche Enttäuschung gab es nicht für uns, die Bundesliga ist  durch die Konkurrenz von P&S und dem Herrmann Radteam attraktiver geworden. Das hatte zur Folge, dass wir nicht mehr so dominant waren.

Jonas Rutsch hat den  Sprung in die WorldTour geschafft, nach Max Walscheid ist er der Zweite aus Ihrem Team, dem das gelungen ist. Klopften Sie sich da auch mal selbst auf die Schulter?
Monreal: Klar, es ist ein Zeichen unserer Arbeit, die wir alle im Team leisten. Aber die Sportler haben natürlich selbst den größten Anteil daran, denn sie müssen diszipliniert trainieren und leben, um sich ihren Traum zu erfüllen. Wir bieten ihnen dazu die Bühne, um sich bei vielen internationalen Rennen mit den Besten der Welt zu messen. Nicht vergessen darf man übrigens Marcel Meisen, der auch bei uns war und mittlerweile schon zwei Jahre ProKontinental fährt.

Über die Entwicklung welchen Fahrers - abgesehen von Jonas Rutsch - haben Sie sich am meisten gefreut?
Monreal: Da gab es eigentlich zwei: einen ganz jungen Fahrer und einer mit Erfahrung. Kim Heiduk ist in seinem ersten Jahr in der Männerklasse direkt eine sehr solide Saison gefahren und wir haben ihn mit der Teilnahme bei der D-Tour belohnt. Von ihm erwarte ich in den nächsten Jahren weitere Leistungssprünge. Und Robert William Kessler, einer unserer “alten Hasen“, hat dieses Jahr mehrmals knapp seinen ersten UCI-Sieg verpasst, es war schön zu sehen, wie er sich bei den Klassikern entwickelt hat.

Jonas Rutsch war der Ergebnisfahrer. Wie wollen Sie ihn ersetzen und stellen Sie sich darauf ein, 2020 gegebenenfalls erst mal etwas kleinere Brötchen backen zu müssen?
Monreal: Jonas war ganz klar der Ergebnisfahrer 2019, aber Josh hat sich auch zu 110 Prozent in den Dienst von Jonas und dem Team gestellt und daher auf eigene Ergebnisse verzichtet. In diesem Jahr wird er sich wieder auf seine  Ergebnisse konzentrieren und will an sein bisher bestes Jahr 2018 anknüpfen. Mit Christian Koch haben wir einen Fahrer verpflichtet, der auch schon siegerfahren bei UCI-Rennen ist und der nach mehr brennt. Er ist in einem neuen Umfeld und hat sich direkt hervorragend integriert. Hier erhoffen wir uns auch das eine oder andere Top-Ergebnis. Wie eben schon erwähnt, hat Robert am UCI-Sieg geschnuppert und wir wollen ihm dabei helfen, ihn dieses Jahr einzufahren.

Der Transfermarkt ist immer heiß umkämpft. Wie viele Ihrer Wünsche konnten Sie realisieren?
Monreal: Wir haben bis auf einen alle unsere Wunschfahrer bekommen und sind sehr zufrieden mit dem Team 2020. Wir haben einen sehr guten Mix, mit erfahrenen Leistungsträgern und jungen talentierten Fahren. Ich denke, dass wir kompakt und besser aufgestellt sind als in den Jahren zuvor.

Wann und wo wird das Team in die Saison einsteigen?
Monreal: Wir werden wie in den letzten drei Jahren bei der Tour of Rhodos in die Saison starten, parallel dazu geht es mit drei holländischen Eintagesrennen weiter. Danach werden wir in Frankreich bei Paris-Troyes an der Startlinie stehen und mit der Olympias Tour die zweite Rundfahrt im März bestreiten. Highlight soll wieder die Deutschland Tour sein. Dafür wollen wir uns wieder qualifizieren und bestmöglich bis zur Deutschen Meisterschaft präsentieren und Ergebnisse einfahren.

Was sind die sportlichen Ziele für 2020?
Monreal: Wie gesagt: Wir wollen wieder bei der Deutschland Tour starten, falls KT-Teams fahren dürfen. Dies ist eine riesige Plattform, um uns zu präsentieren und den Sponsoren TV-relevante Präsenz zurückzugeben. Des Weiteren wollen wir wieder die Bundesliga gewinnen (Einzel- oder Mannschaftswertung), da dies für unsere Sponsoren eine sehr gute Plattform ist. International wollen wir natürlich wieder den einen oder anderen UCI-Sieg einfahren. Wir blicken sehr optimistisch in die Zukunft.

Für die UCI ProSeries wird für KT Teams eine Teilnahmegebühr fällig. Was halten Sie davon und werden Sie sie zahlen?
Monreal: Diese Gebühr wird den Teams allen weh tun, weil es wieder eine versteckte Preissteigerung für die KT-Teamanmeldung ist. Im Fußball sieht das anders aus, wenn eine Mannschaft etwa aus der 3. Liga im DFB-Pokal in der ersten Runde dabei ist, erhält der Verein einen sechsstelligen Betrag. Aber immer nur jammern oder nörgeln hilft nichts, man sollte versuchen, das beste daraus zu machen.

Welchem Ihrer Fahrer trauen Sie den Sprung in ein höherklassiges Team zu?
Monreal: Da gibt es drei oder vier, denen ich den Sprung in ein höherklassiges Team zutraue. Das wichtigste ist: Sie müssen alle gesund bleiben und bei ihren Höhepunkten performen. Wir wollen allen die Chance geben, ihr Ziel zu erreichen.

Wo sehen Sie Lotto - Kern Haus perspektivisch?
Monreal: Perspektivisch sehe ich Lotto - Kern Haus in der zweiten Liga, dazu gehört aber eine kräftige Finanzspritze. Es braucht in Deutschland ein Team aus der zweiten Kategorie, wie es damals Wiesenhof war oder NetApp / Bora Argon 18. Wir haben einige tolle junge Talente in Deutschland, die auch nach der U23 weiter ihre Chance bekommen sollten.

Gibt es Veränderungen in der Sportlichen Leitung von Lotto - Kern Haus?
Monreal: Wir bekommen noch etwas Zuwachs, wir haben Hartmut Täumler reaktivieren können. Letztes Jahr hatte er schon einen Einsatz und das wollen wir 2020 noch etwas ausbauen, da ich durch familiäre Gründe 2020 vielleicht bei einigen Rennen passen muss.

Das Team für 2020 wurde etwas vergrößert. Warum?
Monreal: Wir haben einen Fahrer mehr im Kader als letztes Jahr, da wir doch immer an die Grenzen stoßen, wenn wir ein zweigleisiges Programm fahren. Mit 15 Fahrern haben wir etwas mehr Luft, auch wenn mal ein oder zwei Jungs krank sind.