Florian Monreal über die Geschichte des Teams

Teamchef Florian Monreal spricht im Interview mit radsport-news.com über die Entstehung, die Entwicklung und die Zukunft seines Teams.

Herr Monreal, wie kamen Sie auf die Idee, ein Team zu gründen und zu leiten?
Monreal: Schon in den Jahren 2010/2011 hatte ich diese Idee im Hinterkopf, damals zusammen mit Björn Glasner. Aber wir haben damals nicht genügend Sponsoren gefunden. Allerdings hatte ich mir dadurch schon ein kleines Netzwerk und einen kleinen Sponsorenpool geschaffen sowie ein Gespür für Verhandlungen entwickelt. Zur Saison 2013 hatte das Team Quantec – Indeland, für das ich damals fuhr, finanzielle Probleme. Ich hatte zu der Zeit schon bei Lotto RLP gearbeitet und wollte das Team retten, was dann auch mit einem Unterstützungskonstrukt um Lotto gelungen ist. Da hieß es schon: Mach doch in Rheinland-Pfalz ein Team für 2014. Ich war damals 26 Jahre. Erst war die Idee, das Team mit Markus Ganser, dem damaligen Teamchef von Quantec – Indeland fortzuführen, aber das hatte sich zerschlagen, da wir nicht die gleichen Vorstellungen über einen künftigen Rennstall hatten. Daraufhin habe ich das Projekt völlig blauäugig allein in Angriff genommen.

Vom wem haben Sie sich schon als aktiver Fahrer etwas abschauen können?
Monreal: Ich habe mich, ehrlich gesagt, vor allem an den großen Teams und deren Auftreten orientiert. Mir war wichtig, dass die Autos immer poliert sind, dass die Fahrer alle die gleiche Kleidung tragen, auch außerhalb des Rennens. Insgesamt war mir ein sehr professionelles Auftreten schon immer sehr wichtig. Und da habe ich die größte Inspiration bei den Profiteams gefunden.

Wann stand der Entschluss zum eigenen Team fest? Gab es einen Moment, in dem Sie sagten: Jetzt mache ich das?
Monreal: Das war im November 2013 als ich etwa 90 Prozent des Budgets beisammen hatte. Da fiel der Entschluss, dass ich das Projekt alleine angehe. Meine Eltern haben die Hände überm Kopf zusammengeschlagen. Aber wir sind alle mit den Aufgaben gewachsen.

Wie viele Wochen sind von der konkreten Idee bis zur Anmeldung des Teams vergangen?
Monreal: Zwischen der Idee und der Anmeldung des Teams lag nicht viel Zeit. Das war alles sehr spontan. Am Tag vor der eigentlichen Deadline für die Anmeldung habe ich mich beim BDR (Bund Deutscher Radfahrer) gemeldet und dann zum Glück noch eine Woche Fristverlängerung bekommen. Das war tatsächlich eine Nacht- und Nebelaktion. Viele haben mir damals den Rat gegeben, das Team erst zur Saison 2015 anzumelden. Aber ich wollte das Eisen schmieden, so lange es heiß war. Wer garantierte mir, dass die Sponsoren auch noch im Jahr darauf zur Verfügung stünden und das Team unterstützen würden? Den Sponsoren habe ich es dann auch so erklärt, dass 2014 ein Lehrjahr sein würde, ehe wir dann ab 2015 das Ziel haben würden, zum besten deutschen Kontinental-Team zu werden. Das war für die Geldgeber nachvollziehbar.

Wie lief die Sponsorensuche - vor allem mit dem wichtigen Radsponsor?
Monreal: Mit Kuota konnten wir den Radsponsor von Quantec – Indeland mitnehmen und sind dann auch die ersten drei Jahre Kuota gefahren. Dafür bin ich dankbar. Dazu hatten wir auch einen guten Support mit Shimano-Komponenten. Insgesamt hatte ich einen guten Pool an Sponsoren, vor allem mit lokalen Geldgebern, von denen ich eine positive Resonanz erhielt. Wir standen auf drei größeren Sponsorensäulen mit Lotto, Kuota und einem dritten Sponsor, der aber schon im ersten Jahr seinen Zahlungen nicht mehr nachgekommen ist. Da haben viele schon gedacht, dass das unser Grabstein sein würde. Aber wir haben uns da durchgekämpft und uns dann zum Jahresende auch von dem dritten Sponsor getrennt.

Am Anfang bestand das Team ja praktisch nur aus Fahrern aus Rheinland-Pfalz und derunmittelbaren Umgebung. Wurde das von den Sponsoren vorgegeben oder sollte das die “Team-ID“ sein?
Monreal: Wir wollten ein Team aus der Region für die Region sein. Das war mir sehr wichtig. In meiner Zeit als Nachwuchsfahrer gab es etwa das Team Optik Delker als vergleichbare Mannschaft. Ich selbst habe als Radfahrer viel erlebt, habe viel von der Welt gesehen. Das wollte ich für die jungen Fahrer weiter ermöglichen, vor allem für solche aus der Region. Ein Grund war aber auch letztlich ein ganz pragmatischer. Wir waren mit dem Team sehr spät dran, alle guten Fahrer hatten schon woanders Verträge, so auch Max Walscheid, der den gleichen Trainer wie ich hatte und den ich damals schon gut kannte. Entsprechend habe ich in seinem näheren Umfeld noch rumgefragt, wer denn noch ein Team suche.

Wie sind Sie konkret bei der Fahrersuche vorgegangen - wie gewinnt man Leute für ein noch nicht existierendes Team?
Monreal: Teilweise habe ich Fahrer von Quantec – Indeland mit übernommen. Zum anderen aber waren wir im ersten Jahr – das muss man sagen – ein ziemlich zusammengewürfelter Haufen. Es ging damals überhaupt nicht nach Wunschfahrern. Generell ist es dann aber wichtig, das eigene Netzwerk zu nutzen, denn ein Fahrer kannte immer noch einen anderen Fahrer, der für die Saison 2014 noch was suchte.

Welche Formalitäten mussten erfüllt werden, um auch eine Kontinental-Lizenz zu bekommen?
Monreal: Da gab es schon einiges zu. Zunächst einmal gibt es eine Voranmeldung, bei dem ich den Projektnamen Team RLP angegeben habe. Für die tatsächliche Anmeldung musste man die Anmeldegebühr zahlen, eine Bankbürgschaft vorlegen, dazu auch Budgetpläne, eine Liste der Fahrer und Sportlichen Leiter samt persönlicher Daten. Es war ein ganzer Wust an Daten, ein ganzer Aktenordner voll. Man musste natürlich auch eine Firma anmelden, man brauchte ein Geschäftskonto, über das die ganzen Zahlungen liefen. Zum Glück hat aber bei uns damals alles gepasst.

Erhielten Sie beim Anmeldeverfahren Hilfestellungen?
Monreal: Zunächst einmal muss ich sagen, dass es beim BDR eine nette Frau gibt, die einen bei der Anmeldung sehr gut unterstützt. Bis voriges Jahr lief die Anmeldung über ein Excel-Formular. Das lief sehr gut. Seit 2019 hat die UCI (Radsportweltverband) eine Online-Plattform eingeführt, die noch etwas wackelig ist. Daten aus dem Vorjahr etwa werden nicht automatisch übernommen. Das macht es etwas umständlich.

Wie teuer kam Sie das Anmeldeverfahren?
Monreal: Bei der ersten Anmeldung 2014 musste ich etwa 6000 Euro an Anmeldegebühr an den BDR und die UCI zahlen, heute sind es knapp 9000 Euro. Dazu kommen auch noch Lizenzgebühren und Versicherungen für Fahrer und Sportliche Leiter, das sind insgesamt nochmal knapp 10000 Euro. Das sind die Kosten, die man fix hat, um überhaupt den Status Kontinental-Team zu bekommen. Im Januar schaut man dann täglich auf die UCI-Seite, wo die Teams aufgelistet werden. Wenn man dort steht, dann weiß man, man hat es geschafft. Als ich uns dort das erste Mal sah, hat mich das schon mit Stolz erfüllt. Genau so wie der Moment, in dem ich das erste Teamtrikot in Händen hielt.

Abgesehen von Fahrerverpflichtungen und Renneinladungen. Was waren die Hauptaufgaben, die Sie damals zu erledigen hatten?
Monreal: Wir brauchten Autos, einen Bus für das Material, Dachträger, Kühlboxen, ganz viele Kleinigkeiten. Auch im siebten Jahr unseres Bestehens sind wir da noch nicht am Ende der Entwicklungsmöglichkeiten angekommen. Bei der Suche nach Partnern hatten wir relativ viel Glück. Mein damaliges Fitnessstudio hatte einen guten Kontakt zu Powerbar, beim Trainieren traf ich dort auf den Vertreter und daraus entstand ein bis 2018 währender Vertrag. Mit dem TWKZ (Trainingswissenschaftliches Zentrum) in Koblenz hatten wir zudem früh einen guten Partner für Leistungsdiagnostik gewonnen und konnten in den Zeitfahren auf den Bioracer Speedsuit Anzug setzen.

Sie sind zu Beginn der Teamgeschichte ja selbst noch gefahren. Das muss eine große Zusatzbelastung gewesen sein...Und wie schwierig war es auch, als Chef auch noch Teamkollege zu sein?
Monreal: Das war schon schwierig. Dummerweise hatte ich mir beim ersten Teamtreffen beim gemeinsamen Sport in der Halle das Kreuzband gerissen und den Tibiaknochen gebrochen. Ich musste also mehrere Wochen pausieren, bin mit wenig Trainingskilometern zu den Rennen. Wenn du dann als einer der ersten aussteigen musst, dann kannst du natürlich keinen Fahrer für seine Leistungen kritisieren. Erschwerend kam hinzu, dass ich mit einigen Fahrern im Team gut befreundet war. Die Trennung Mannschaftskollege und Chef war so nicht wirklich möglich und auch deshalb habe ich mich dann auch 2015 dazu entschlossen, mich voll auf die Managementrolle zu konzentrieren.

Mit welcher sportlichen Erwartungshaltung sind Sie in das erste Jahr gestartet?
Monreal: Wie bereits erwähnt, waren diese erst einmal gering, da das Team so kurzfristig ins Leben gerufen worden war. Es lief teilweise schon sehr chaotisch ab. Ich erinnere mich noch an unseren ersten Renneinsatz, den wir bei der Mallorca Challenge hatten. Die Einladung für dort hatten wir sehr kurzfristig bekommen. Wir sind dann mit einem einzigen Auto – einem 3er BMW noch mit dem Sponsoring vom Team Schwalbe Trier - nach Spanien gefahren und haben uns vor Ort noch einen Bus gemietet. Uns wurde der allerletzte Parkplatz in der Straße zugewiesen. Wir standen da mit dem 3er-BMW und nebendran die ganzen WorldTour-Teams mit ihren großen Reisebussen. Da fühlte man sich wie ein Grundschüler unter lauter Abiturienten. Zum Reinigen der Räder hatten wir zwar einen Eimer und einen Schwamm dabei, aber dummerweise nicht an den Schlauch gedacht... Leider sind unsere Trikots erst sehr knapp vor dem Rennen fertig geworden und wurden dann dummerweise nach Köln und nicht nach Mallorca geliefert. Also mussten wir am ersten Renntag mit Trikots von Max Hürzeler fahren, der vor Ort einen großen Bikeshop mit Radverleih hat.

Welche Lehren haben Sie als Teamchef aus der Debütsaison gezogen?
Monreal: Ich habe im ersten Jahr gar nicht so sehr an die negativen Dinge gedacht. Dass man zum Beispiel bei den Autos immer ein Reserverad haben sollte. Die meisten Autos haben so etwas ja heutzutage kaum mehr. Wir standen einmal nachts mehrere Stunden auf der Autobahn, da wir einen Platten hatten, und warteten auf den belgischen ADAC. Seitdem wird bei jeder Autobestellung ein Ersatzrad extra mitbestellt, dazu haben wir alle Fahrzeuge mit entsprechenden Hilfsutensilien ausgestattet. Man darf aber auch nicht vergessen, dass wir schon im ersten Jahr ein paar Erfolge hatte. So wurde Daniel Westmattelmann bei der Zeitfahr-DM in Baunatal beim Sieg von Tony Martin Vierter und saß dort für längere Zeit als Spitzenreiter auf dem heißen Stuhl.

Hatten Sie damals schon einen langfristigen Plan für das Team oder war es im ersten Jahr mal ein: mal schauen, worauf es hinausläuft?
Monreal: Im ersten Jahr haben wir erst einmal versucht, so gut wie möglich reinzukommen. Wir hatten viele Fürsprecher, die uns unterstützt haben. Im Sommer 2014 haben wir uns dann zum Ziel gesetzt, 2015 das beste KT-Team in Deutschland zu werden. Entsprechend haben wir den Kader umgekrempelt. Ich hatte mir diesmal Wunschfahrer rausgesucht und praktisch auch alle bekommen. Wir haben Max Walscheid und Bergfahrer Fred Dombrowski von Stölting geholt, dazu kamen Chris Hatz und U23-Crossmeister Felix Drumm vom Team Bergstraße, Tobi Knaup, Dario Raps, Andreas Fließgarten, Richard Weinzheimer und Joshua Huppertz, der im Jahr zuvor bei uns als Stagiaire gefahren war. Im April kam dann schließlich auch noch Marcel Meisen hinzu. Wir waren ein sehr kompaktes Team. In diesem Jahr haben wir uns noch nicht so sehr auf die Rad-Bundesliga konzentriert, sondern mehr auf UCI-Rennen. Nach Punkten waren wir am Ende des Jahres auch das erfolgreichste Team. Das Ziel war erreicht.

Und es gab auch den ersten UCI-Sieg...
Monreal: Genau, den fuhr Max Walscheid bei der Tour de Berlin ein, danach holte Marcel Meisen Siege bei der Tour de Gironde und bei der Oberösterreich-Rundfahrt, Max siegte dann noch in Susteren. Ein echtes Highlight für uns war aber die Teilnahme an der zehntägigen Portugal-Rundfahrt. Über das, was wir dort erlebt haben, hätte man ein ganzes Buch schreiben können. Auf der Hinfahrt hatten wir mit einem Auto einen geplatzten Reifen und standen auf der Autobahn. Bei einem Fahrzeug vergaßen wir, die Handbremse zu ziehen und es rollte gegen eine Steinmauer. Wir bekamen schließlich ein Leihfahrzeug, aber auf das fuhr uns rückwärts noch der Bus von Caja Rural drauf. Da die Leihfirma uns das Auto zudem noch einen Tag zu wenig zur Verfügung gestellt hatte, wurden wir sogar polizeilich gesucht. Hinzu kam, dass sich unser Physiotherapeut den Bizeps riss und Max Walscheid auf einer Abfahrt von einer Bergankunft im Teamfahrzeug sitzend die Tür aufmachte, um etwas frische Luft zu bekommen. Dabei erwischte er allerdings einen Hobbyfahrer, der die Abfahrt mit dem Rad in Angriff nahm und der dann einen Abhang runter stürzte. Zum Glück ohne schlimmere Verletzungen.

Wie ist das Team über die Jahre gewachsen? An welchen Stellschrauben haben Sie administrativ schrauben müssen?
Monreal: In den sieben Jahren sind wir natürlich immer professioneller geworden. Bei unserem ersten Radsponsor Kuota hatten wir drei unterschiedliche Rahmentypen in unterschiedlichen Farben, die Fahrer hatten unterschiedliche Sättel und Sattelstützen. Dazu hatten wir keinen richtigen Laufradsponsor. Als wir 2017 auf Müsing gewechselt sind, hatten alle Fahrer erstmals komplett das gleiche Rad inklusive der gleichen Lenkerbänder. Gerade im materiellen Bereich haben wir uns sehr verbessert, das Sponsoring bei den Shimano Komponenten wurde besser, was sich dann beim Wechsel zu Simplon 2018 nochmals steigerte. Aktuell haben unsere Fahrer zwei Räder, ein Trainingsrad, das sie als Ersatzrad zu den Rennen mitbringen müssen und das “Rennrad“, das sie im Rennen fahren und das beim Team bleibt und von uns gewartet wird. Das Ziel für 2021 ist, dass jeder Fahrer drei Räder hat. So muss er dann nicht mehr sein Trainingsrad mit zu den Rennen bringen, was die An- und Abreise deutlich vereinfachen wird. Insgesamt sind wir, ohne angeben zu wollen, vom Material her praktisch auf WorldTour-Niveau. Da kann man eigentlich nicht mehr wirklich zulegen. Wir haben ein super Rad, das aerodynamisch und steif zugleich ist. Wir setzen schon seit zwei Jahren auf Tubeless Reifen, weil dadurch der Rollwiderstand geringer ist. Ein großer Schritt war noch das Engagement von Christian Henn 2016. Er kam als Sportlicher Leiter mit jeder Menge Erfahrung aus der WorldTour. Er konnte das Team bei den Rennen nochmals ganz anderes begleiten als ich, da mir einfach die Erfahrung der großen Rennen fehlte. Mit Frank Huppertz haben wir zudem noch einen Mentaltrainer im Team, zuletzt verstärkte Andreas Stauff die Sportliche Leitung, der mir sehr viele Aufgaben abnimmt. Von Anfang an hatten wir aber auch schon Leistungsdiagnostik für die Fahrer und einen Aerotest. Außerdem hatten alle Fahrer in den ersten drei Jahren SRM-Geräte. Durch die Shimano-Kooperation sind wir Stages gefahren und rüsten jetzt peu a peu auf den Shimano-Leistungsmesser um.

Ist das Aushandeln guter Sponsoren-Verträge über die Jahre durch die erfolgreichen sportlichen Leistungen leichter geworden?
Monreal: Der sportliche Erfolg hilft natürlich. Was ich aber gemerkt habe, ist, dass den Sponsoren ein professionelles Auftreten wichtig ist. Wir machen seit jeher eine Teampräsentation, haben eine gute Homepage, machen einiges über Social Media, haben ein gepflegtes und professionelles Erscheinungsbild. Letztlich sind es auch Kleinigkeiten, die den Sponsoren gefallen. So hatten wir beim Bundesliga-Gesamtsieg von Jonas Rutsch 2019 für alle Fahrer die gleichen T-Shirts mit Aufdruck besorgt. So wie es auch die Fußballteams machen, wenn sie etwas gewonnen haben. Eine ähnliche Aktion hatten wir schon 2017 bei einem Vierfach-Gesamtsieg in der Rad-Bundesliga. Letztlich ist es aber auch Verhandlungsgeschick, was die Verträge mit den Rad- und Komponentenherstellern betrifft.

Haben Ihre Sponsoren (wie teilweise bei den großen Teams) Mitspracherecht bei Fahrerverpflichtungen oder bei Renneinsätzen?
Monreal: Das hatten wir bisher nicht. Aber das liegt natürlich auch daran, dass Lotto RLP und Kern Haus ihren Hauptmarkt in Deutschland haben und da fahren wir eh. Luxemburg ist für beide Sponsoren auch noch ein wichtiges Land, entsprechend fahren wir auch möglichst oft dort. Die Österreich-Rundfahrt in der Heimat unseres Radsponsors Simplon würden wir auch gerne fahren, aber da ist es sehr schwer reinzukommen.

Wie stellen Sie Ihren Rennkalender zusammen?
Monreal: Im ersten Jahr haben wir überraschenderweise schon sehr viele Einladungen bekommen und mit der Mallorca Challenge über Nokere Koerse und den Prudential Ride London ein sehr gutes Programm gehabt. Gerade mit der Agentur Cycling Service, die für viele Rennen in Belgien und den Niederlanden die Einladungen organisiert, hatten wir direkt einen guten Kontakt. Generell hat man sich den UCI-Kalender angeschaut, die Veranstalter angeschrieben und sich vorgestellt. Im zweiten Jahr haben wir den Rennkalender weiter aufwerten wollen und uns auch für Rennen in Frankreich beworben und jeweils eine Mappe des Teams und ein auf Französisch verfasstes Anschreiben mitgeschickt. Ich selbst kann ja kaum französisch und es war dann schon kurios, wenn dann ein Rennveranstalter kurzfristig bei dir anrief, weil er noch ein paar Dinge klären wollte und dann direkt auf Französisch losredete. Er dachte ja, dass ich französisch kann, wegen des professionellen Anschreibens in perfektem Französisch. Aber das hatte jemand für mich geschrieben. Mit Händen und Füßen konnte man sich letztlich aber doch verständigen. Bisher war es so, dass wir praktisch alle Veranstalter angeschrieben haben und dann die Rennen gefahren sind, für die wir Zusagen bekommen haben. In diesem Jahr hätten wir, weil wir praktisch für alle Rennen eine Zusage bekommen haben, fast schon Rennen absagen müssen.

Und das kommt als Kontinental-Team nicht gut. Entsprechend werden wir da in Zukunft unsere Strategie etwas ändern.
Was sind Ihrer Meinung nach die Kriterien, ob man eine Einladung erhält oder nicht?
Monreal: Ich denke, die Veranstalter schauen bei ihrer Auswahl auf verschiedene Dinge: Wie professionell treten die Teams auf, wie sind sie in der Vergangenheit bei dem Rennen gefahren, haben sie zur Attraktivität des Rennens beigetragen und auch Erfolge eingefahren. Von Vorteil ist natürlich auch, wenn es im Team eine gewisse Konstanz gibt, der Teamnamen gleich bleibt und auch das Trikotdesign. Dann wissen die Veranstalter direkt: Ah, Lotto Kern Haus. So etwas hilft. Und manchmal, vor allem bei kleineren Rundfahrten, muss man auch mal die Hotelkosten selbst zahlen, weil dort einfach alle Teams fahren wollen.


Achten Sie bei den Anfragen für den Rennkalender darauf, ob die Rennen den Fahrerqualitäten entsprechen oder geht eher es eher darum, bei möglichst namhaften Rennen reinzukommen?
Monreal: Der Rennkalender muss in erster Linie natürlich zu den Fahrern passen. Hat man viele Bergfahrer im Team, bringt es nichts, diese ständig nach Belgien oder die Niederlande zu schicken. Aber als KT-Team hat man natürlich auch nicht die große Auswahl an Rennen, letztlich muss man die Rennen fahren, für die man eine Zusage bekommt. Wir schauen aber auch, dass wir vor allem Rennen im Umkreis von 1000 Kilometern bestreiten, was eben noch mit dem Auto zu bewältigen ist. Da macht es wenig Sinn, für ein Eintagesrennen mit dem Auto nach Südspanien zu fahren, da hat niemand etwas von. In diesem Jahr haben wir tatsächlich auch ein paar starke U23-Bergfahrer dazu bekommen und für sie wollten wir ein entsprechendes Programm zusammenstellen. Wir hatten schon Zusagen für ein paar italienische U23-Rennen. Aber die Corona-Krise hat das erst einmal zu Nichte gemacht.

Sie fahren häufig zweigleisig. Wie wird entschieden, welcher Fahrer bei welchem Rennen startet?
Monreal: Die Zuordnung des Rennprogramms hat in diesem Jahr Andreas Stauff gemacht. Er hat da wirklich viel Zeit reininvestiert. Die Fahrer dürfen Wünsche äußern und dann schaut man, ob die Wünsche der Fahrer mit den Zielen des Teams übereinstimmen. In diesem Jahr konnten wir zu Jahresbeginn schon eine feste Rennplanung bis in den Mai hinein machen, das war für die Fahrer sehr hilfreich, da sie so gezielter trainieren konnten. Wir sind aufgrund des ausgewogenen Kaders trotz einiger jüngerer Fahrer in der komfortablen Situation, beide Programme mit einem guten Aufgebot bestreiten zu können. Natürlich müssen sich die Fahrer bei den Rennprogrammen auch entscheiden. In diesem Jahr haben zwei unserer Fahrer angemeldet, bei der Rad-Bundesliga auf Gesamtwertung fahren zu wollen. Entsprechend können sie an Wochenenden, an denen Rennen der Serie anstehen von ihnen keine UCI-Rennen bestritten werden.

Welche Kosten kommen bei den Rennen auf das Team zu?
Monreal: Das ist ganz unterschiedlich. Manche Veranstalter zahlen Unterkunft und Verpflegung, manche nur das eine oder das andere, und dritte zahlen gar nichts. Hinzu kommen noch die Kosten der Anreise, wenn sie nicht vom Veranstalter getragen werden. Fixkosten fallen an für Sprit, was einen sehr hohen Anteil ausmacht, außerdem in den entsprechenden Ländern auch Mautgebühren. Es gibt zwar teilweise auch ein Startgeld, aber das deckt zumeist nicht die Auslagen, die man dann vom zur Verfügung stehenden Budget bestreiten muss.

Mit Max Walscheid und Jonas Rutsch sind zwei ihrer Fahrer mittlerweile in der WorldTour, angekommen. Hatten Sie damals schon das große Potenzial derbeiden erkannt?
Monreal: Mit Max war ich schon im persönlichen Kontakt, als er bei Stölting fuhr, wir wohnten ja nur zehn Kilometer auseinander und trainierten oft gemeinsam. Wir wurden uns also schnell einig. Jonas fuhr 2016 die Junioren-WM, bei der Niklas Märkl Rang zwei belegte. Jonas selbst konnte da aber nicht so recht auf sich aufmerksam machen und hatte auch für 2017 noch keinen Vertrag. Da sprach mich der Vater von Niklas Märkl an, und da ich auch noch einen Nachwuchsfahrer verpflichtet wollte, klappte es mit Jonas, der zu der Zeit noch am Heinrich-Heine-Gymnasium in Kaiserslautern war. Dass er dann so einschlagen würde und 2020 in der WorldTour fahren würde, das hatte ich damals noch nicht auf dem Schirm.

Im Kontinental-Bereich ist es oft ein großes Kommen und Gehen. Fahrer verlassen das Team, weil sie sich für höhere Aufgaben empfohlen haben, andere wiederum haben es nicht geschafft, sich sportlich durchzusetzen oder sind der U23 entwachsen. Wie versuchen Sie, die Fluktuation im Kader möglichst gering zu halten?
Monreal: Wir versuchen immer einen gewissen Grundstock zu halten. In diesem Jahr haben wir fünf neue Fahrer dazubekommen. Für das Gefüge und den Spirit im Team ist es sehr wichtig, eine gewisse Konstanz im Kader zu haben. Für uns fahren etwa Joshua Huppertz und Tobias Knaup seid 2015, Luca Henn ist seit 2016 dabei. Jungen Fahrer, die in ihr erstes U23-Jahr gehen, geben wir zudem die Sicherheit, dass sie auch im Jahr darauf einen Vertrag bekommen werden, sofern sie fleißig trainieren und das Rad nicht nur dafür benutzen, um zur Eisdiele zu fahren.

Dennoch gibt es auch immer wieder Fahrer, die im U23-Bereich die Lust am Radrennen verlieren, auch während der Saison. Wie gehen Sie damit um?
Monreal: Das gibt es natürlich immer wieder. Das sind junge Leute, die dann vielleicht doch lieber gleich studieren wollen und die Strapazen des Radsports nicht mehr auf sich nehmen wollen. Wichtig ist, dass man ehrlich darüber spricht. Für das Team ist das zwar ärgerlich, wenn während der Saison ein Fahrer wegbricht. Aber wir legen keinem der Jungs Steine in den Weg, sollte er für sich zum Entschluss kommen, lieber etwas anderes zu machen. Und letztlich kann man ja auch niemanden zwingen, Rad zu fahren.

Wie läuft die Trainingssteuerung im Kontinental-Bereich?
Monreal: Generell gibt es zwei Typen von Fahrern. Solche, die vier schöne U23-Jahre haben wollen und ihren Mannschaftskollegen helfen und andere, die das Ziel haben, Profi zu werden. Der letztgenannte Fahrertyp braucht natürlich noch mehr Support. Die Trainingssteuerung übernimmt generell der Heimtrainer, aber wir vom Team schauen da auch drüber und achten darauf, dass der Rennkalender auch entsprechend zur Verfassung des Fahrers passt.

Bei den großen Teams werden vor den Rennen Streckenbesichtigungen durchgeführt. Machen Sie das vor wichtigen Rennen auch?
Monreal: Das haben wir bei manchen Rennen wie Rund um Köln, Frankfurt oder dem Bundesliga-Rennen in Düren schon gemacht. Aber mittlerweile kennt man die Strecken dort. Würde man jetzt aber sich Rennen wie die Ronde van Drenthe in den Niederlanden vorher anschauen, dann würde das einfach das Budget sprengen.

Ist es wichtig, nicht zu viele Häuptlinge unter den Fahrern zu haben, dass es keine Unruhe in der Mannschaft gibt?
Monreal: Das kommt eigentlich selten vor. Die jungen Fahrer, die zu uns kommen, müssen sich erst noch entwickeln, haben entsprechend auch noch keinen Anspruch auf die Kapitänsrolle. Fahrer wie Joshua Huppertz oder Neuzugang Christian Koch haben ihre Stärken zwar auf ähnlichem Terrain, aber da wir ja zweigleisig fahren, bekommt jeder seine Freiheiten und Chancen. Generell finde ich es aber besser, nicht nur einen Kapitän zu haben, von dem alles abhängt, sondern in einer schlagkräftigen Mannschaften mehreren Fahrern die Chance zu geben, auf Ergebnis zu fahren.

Wie laufen konkret Vertragsverhandlungen ab?
Monreal: Es gibt Wunschfahrer, die man haben möchte, auf die man dann schon bei den Rennen zugeht. Es gibt aber auch viele Initiativbewerbungen. Zudem gibt es auch Empfehlungen von Junioren-Trainern, mit denen wir im Kontakt stehen. Letztlich muss man jeweils schauen, ob es auch menschlich passt. Ich führe mit den Fahrern zumeist zwei bis drei längere persönliche Gespräche, um einen Eindruck zu bekommen. Das geht dann nicht mal kurz nach dem Rennen an den Autos. Da muss man sich Zeit nehmen.

Prozentual gesprochen: Wie viele Fahrer, die Sie im Team haben wollen, kommen letztlich zu Ihnen?
Monreal: In diesem Jahr haben wir fünf von sechs Wunschfahrern unter Vertrag nehmen können. Meistens sind es 80 bis 90 Prozent, die wir bekommen. Chancenlos sind wir zumeist gegen Development Teams wie die von Sunweb oder jetzt von Jumbo – Visma.

Das ist eine recht hohe Zahl. Wie überzeugen Sie die Fahrer?
Monreal: Wir haben ein gutes Rennprogramm, fahren zumeist zweigleisig, da wird es den Jungs nicht langweilig. Letztlich wollen sie alle ja vor allem Rennen fahren. Was den Jungs wohl auch wichtig ist, dass sie 'ein schönes Rad' haben, und wir haben da ein super Setup. Dazu haben wir eine gute Infrastruktur und auch eine gute Reputation, dass man bei uns den Sprung zu den Profis schaffen kann.

Haben Sie mal ausgerechnet, wie viele Stunden Sie in der Woche arbeiten?
Monreal: Mit allen Tätigkeiten zusammen inklusive meinem Job bei Lotto RLP sind es mindestens 60 bis 70 Stunden. Ich sitze im Jahr bestimmt 60-70000 Kilometer im Auto, telefoniere viel, habe viel am PC zu tun. Momentan erfahre ich wegen Corona eine lange Zeit nicht für möglich gehaltene Entschleunigung und es bleibt auch viel Zeit für die Familie. Ansonsten, wenn am Wochenende Rennen sind, geht es Freitag Mittag gegen 12 Uhr los und man kommt sonntags spät zurück. Bei den Rennen vor Ort habe ich auch immer bis mindestens 23 Uhr zu tun.

Wie viel Idealismus und Ehrenamt steckt dahinter?
Monreal: Sehr viel. Die Tätigkeit besteht zu 110 Prozent aus Idealismus und Ehrenamt. Alleine was meine Eltern aus Liebe zu mir für das Team machen, das ist unbezahlbar. Durch den Erfolg ist aber auch bei meinen Eltern die Motivation umso größer geworden. Siege geben natürlich umso mehr Antrieb. Mein Vater ist technisch versiert, kümmert sich nicht nur um die Räder. Da spart man schon auch einiges an Geld. Insgesamt sehe ich das Team auch nicht als Betrieb, ich betreibe es, weil ich Spaß daran habe, weiter Teil des Pelotons zu sein. Ich würde mich sogar als Fan bezeichnen, schaue sehr gerne Radrennen im TV.

Sind Ihre Mitarbeiter fest angestellt?
Monreal: Die Fahrer und die Sportlichen Leiter sind fest angestellt. Die Soigneure und Mechaniker arbeiten auf Honorarbasis oder gar ehrenamtlich.

Wieviel Geld benötigt ihr mindestens, um im Kontinental-Bereich eine Saison durchzustehen?
Monreal: Rechnet man Geld- und Sachwerte zusammen, dann braucht man auf jeden Fall einen niedrigen sechsstelligen Betrag. Neben den Gehältern, die auf Kontinental-Niveau mindestens 250 Euro pro Monat pro Fahrer betragen, braucht man einiges an Reserven für die Rennen. Die Reisekosten fressen einen erheblichen Teil des Budgets weg.

Laufen Sponsorenverträge zumeist nur über ein Jahr oder gibt es auch längerfristige Verträge?
Monreal: Wir haben Verträge von bis zu drei Jahren Laufzeit. Vor allem die mit den großen Sponsoren laufen über eine längere Zeit. Das ist auch sehr wichtig für die Planung.

Was würden Sie jemandem raten, der erstmals ein Kontinental-Team auf die Beine stellen will?
Monreal: Wichtig ist vor allem, langfristige Sponsorenverträge mit den zwei, drei wichtigsten Partnern zu haben. Außerdem braucht man viel Durchhaltevermögen, gerade im ersten Jahr. Es wird sicherlich nicht heißen: Er kam, sah und siegte. Wichtig ist natürlich auch eine Portion Erfahrung, aber die ergibt sich im Laufe der Zeit. Ich bin in den Jahren auch viel gelassener geworden.

Was halten Sie von der Idee, im Radsport Ablösesummen an die abgebenden Teams zu zahlen, so dass deren Nachwuchsförderung auch entlohnt wird?
Monreal: Das finde ich einen sehr guten Ansatz. Zuletzt wurde ich von jemanden, der sich nicht so gut im Radsport auskannte, gefragt: Für den Rutsch hast du jetzt ja sicherlich eine schöne Ablösesummer bekommen, oder? Aber natürlich gab es für Rutschs Wechsel in die WorldTour nichts. Es müssen ja keine großen Summen fließen, aber 10.000 Euro für einen solchen Wechsel als Entschädigung wäre schön. Letztlich fehlt dem Radsport dazu aber das Geld.

Deutschland fehlt aktuell ein Zweitdivisionär. Wie groß ist der Schritt in die zweite Division?
Monreal: Der Schritt ist schon sehr groß, aber nicht unmöglich. Es ist realistisch, es zu schaffen, und das bleibt auch eines meiner Ziele. Der Mehrwert wäre schon immens, denn dann hätte man die Chance, die ganz großen Rennen zu bestreiten und dadurch mehr TV-Präsenz. Man braucht dazu natürlich einen großen Sponsor und es ist schon mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden. Ich selbst müsste dann in Vollzeit arbeiten und meinen Job bei Lotto RLP aufgeben. Man bräuchte einen viel größeren Fuhrpark, einen Camper, LKW, Bus, mehrere Festangestellte. Den Mehraufwand würde ich aber nicht scheuen.

Was ist Ihr größtes persönliches Ziel als Teamchef?
Monreal: Als Fahrer blieb es mir verwehrt, die großen Rennen zu bestreiten. Bei einem Rennen wie Mailand – Sanremo mal als Verantwortlicher im Begleitwagen zu sitzen, das wäre super. Das ist aber eher ein Fernziel. Ein Nahziel wäre, mal bei einem Rennen der Kategorie 1.1 auf dem Podium zu stehen oder es gar zu gewinnen. Auch ein Rundfahrtsieg wäre toll, da wir da in der Vergangenheit schon öfter nah dran waren.