Kesslers Tagebuch zum Saisonauftakt in der Provence

Zum Saisonauftakt bei der Tour de la Provence (UCI 2.1) führt Robert Kessler Tagebuch und gibt einen Einblick ins Renngeschehen und hinter die Kulissen.

08.02.2018 - Prolog: Circuit Paul Ricard - 5,8 km

Da wir schon am Mittwochabend angereist sind, konnten wir unseren heutigen Tag sehr entspannt beginnen. Nach dem Frühstück ging es am Vormittag auf den neuen Zeitfahrrädern zu einer kleinen Ausfahrt. Trotz der eher kühlen 6 Grad war die Motivation gut, denn am Himmel war keine Wolke zu sehen. Darauf hin haben wir noch ein paar Feineinstellungen am Rad vorgenommen.

Der Prolog fand auf der Formel 1 Rennstrecke Circuit Paul Ricard statt. Die 30-minütige Fahrt zum Start war relaxed und unkompliziert. Als wir ankamen muss ich sagen war ich ein bisschen geflashed, dass doch relativ viele Zuschauer da waren. Auch unser Fuhrpark wirkte im Vergleich zu den ganzen Teambussen der WorldTour -und ProContinental Mannschaften schon fast klein. Ziemlich nice war, dass jedes Team eine eigene Box in der Boxengasse bekommen hat.

Nachdem wir uns eingerichtet hatten, sind wir noch mal den 5,8km langen Rundkurs abgefahren. Der erste Eindruck war „klassisch Rennstrecke“, das heißt: breite Straße, lange Kurven und lange Geraden. Also eher unspektakulär für Radfahrer. Nun hatte ich etwas Zeit zum Entspannen und hab meine Sachen fürs Rennen fertiggemacht. Danach ging es auf die Rolle und die Anspannung stieg natürlich. Bei dem ersten Rennen so früh im Jahr im neuem Trikot kann man schon mal nervös sein, denke ich.

Nach dem Start war dann aber wieder alles gut. Ich bin fokussiert losgefahren und das erste Stück mit Rückenwind lief natürlich hervorragend und auch die Kurvenkombination habe ich im Auflieger gemeistert. Auf dem Rückweg merkte ich dann aber leider schon; dass ich nicht richtig tiefgehen konnte und so habe ich mich dann in ins Ziel gequält. Am Ende war es der 63. Platz, Joshi fuhr auf einen soliden 39. und Luca auf Platz 44.

Ich denke am Ende kann man sagen, dass unsere Ergebnis okay war, auch wenn man sich natürlich immer mehr wünscht. Aber es war halt unser erstes Rennen, wohingegen die meisten anderen Fahrer im Starterfeld schon eine Rundfahrt in den Beinen haben. Jetzt heißt es sich gut zu regenerieren und die Etappe morgen konzentriert zu beginnen.

Euer Robert

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09.02.2018 - 1. Etappe: Aubagne > Istres - 184 km

Heute ging es über 165km mit einem überwiegend flachen Profil von Aubagne nach Istres. Nach den etwas hektischen Minuten vor dem Start, hatten wir genug Zeit uns auf den 10 Kilometern Neutralisation warmzufahren. Dann ging erstmal die Post ab. Trotz unserer Teamtaktik erstmal die Lage zu peilen und uns auf das sichere Sprintfinale zu konzentrieren, haben Joshi (Huppertz) und ich die berühmte Startattacke gesetzt. Kurz dachten wir auch, dass wir mit unserem französischen Mitstreiter fahren gelassen werden, naja wie gesagt „dachten“. Danach hatten wir ganz schön Laktat in den Beinen und setzten uns wie vorgegeben ins Feld.

Bis zur zweiten Bergwertung ca. 30km vor Ziel verlief alles unspektakulär und wir konnten die Sonne genießen. Danach begann langsam die Sprint Vorbereitung. Wir haben uns zuerst gut gefunden, aber dann 10km vor Ziel verloren. Nachdem ich bis 3km vor Ziel auf der rechten Seite hinter FDJ verbrachte; konnte ich aber gut beobachten wie sich die anderen links wiedergefunden haben und grundsolide ins Finale gefahren sind. Dann waren wir zu dritt: Luca (Henn), Joshi und ich. Das brachte uns dann aber leider gar nichts.

Abschließend kann man sagen, dass wir heute fürs erste Straßenrennen schon gut als Team funktioniert haben und können positiv der morgigen Königetappe entgegen schauen.

Nachtrag zum Prolog: Um auch die kleinen Erfolge zu würdigen, möchte ich noch erwähnen. dass gestern Tobias Knaup, der als allererster Starter von der Rampe fuhr, kurzeitig das virtuelle Führungstrikot trug.

Bis Morgen
Euer Robert

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10.02.2018 - 2, Etappe: La Ciotat > Gémenos- 153 km

Wie angekündigt stand heute die Königsetappe auf dem Programm. Das heißt zwei Berge plus Bergankunft. Ich denke, man hört schon heraus, dass das Profil genau auf mich bzw. auf uns zugeschnitten war, ... nicht.

Direkt nach dem Start ging es die erste Sechs-Kilometer-Rampe hoch. Es wurde ein sehr sportliches Tempo angeschlagen, bei dem Richard, Florian, Tobi und Joshi, der sogar mit attackierte, gut folgen konnten. Wohingegen Helene (F. Schormair), Luca und ich ordentlich am Klemmen waren.

Danach wurde es auch nicht viel leichter, da es wellig auf einem Plateau weiterging. Der zweite Berg wurde auf einer Runde zweimal gefahren, deren Anfahrt allerdings wieder mal eine Überraschung bereithielt. Glücklicherweise waren Joshi und ich schon vorne als wir auf den sehr schmalen, sehr eklig profilierten und sehr kurvigen, zehn Kilometer langen Abschnitt einbogen. Dort packten die Delko-Marseille-Jungs ihren Heimvorteil aus und hatten ordentlich von vorne rasiert. So durften wir dann ziemlich angegraut in den Berg reinfahren. Nach den ersten drei Kilometern musste ich den Tatsachen in die Augen sehen und koppelte gekonnt ab.

Oben habe ich mich mit Tobi, Helene und Richi im Grupetto wiedergefunden, dann konnten wir nach einer rasanten Abfahrt Flo und Joshi aufgabeln. Jetzt mussten wir nur noch einmal den Traum von Berg bewältigen, den wir in einem moderaten Tempo hochfuhren, was nicht heißen soll, dass ich irgendwie hätte schneller fahren können.

Als Fazit kann ich sagen, dass wir eine sehr kompakte Fahrweise gerade am Ende an den Tag legen konnten. Wir haben das Grupetto in Überzahl besetzt, lediglich Luca tanzte aus der Reihe und belegte mit nur sechs Minuten Rückstand einen sehr guten 46. Platz. Wir sind alle durchgefahren und keiner hat die Karenz nicht geschafft, damit sind wir, denke ich, in unseren Möglichkeiten geblieben. Jetzt heißt es wieder gut regenerieren und morgen nochmal schauen, was die Beine hergeben.

See You.
Euer Robert


11.02.2018 - 3, Etappe: Aix en Provence > Marseille- 167 km

Die erste Rundfahrt des Jahres ist überstanden, aber auch die letzte Etappe war kein Zuckerschlecken. Heute (Sonntag) hieß es noch mal anzugreifen und die Gruppe zu besetzen. Zu meiner Schande muss ich euch mitteilen, dass mir Joshi (Joshua Huppertz) heute die Show gestohlen und nach einer kurzen Springerei die richtige Gruppe erwischt hat.

Eigentlich Glück für mich, denn das Profil der Strecke und der Gegenwind hat sich, nach seiner Schilderung, zu sechst definitiv nicht einfacher absolvieren lassen. Wir anderen haben währenddessen probiert, soviele Körner zu sparen wie möglich, wobei Tobi (Knaup) sich sehr mannschaftsdienlich zeigte. Nach ungefähr 40 Kilometern wurde das Tempo ordentlich angezogen. Das machte die zwei folgenden Berge sehr sehr, sehr, sehr, sehr unangenehm und so haben die vergangenen Tage bei einigen von uns ihren Tribut gefordert. Ich will hier jetzt keinen Namen nennen, persönlich habe ich mich natürlich nur aus taktischen Gründen kurzzeitig in die Wagenkolonne zurückfallen lassen.

Endlich stand das Finale auf dem Programm. Die Gruppe war mittlerweile eingeholt, Joshi hatte noch ein paar Reserven. Nun wollten wir für Luca (Henn), der sich noch gut fühlte, den Sprint anfahren. Wir konnten uns bis rund zwei Kilometer vor dem Ziel gut ganz hinter Cofidis halten. Dann hat Luca in der vorletzten Kurve mein Hinterrad verloren, ich habe mich noch kurz nach ihm umgeschaut und dabei selbst ein paar Positionen eingebüßt.

Mein Kampfgeist war allerdings geweckt und ich entschied mich, weiter reinzuhalten. Nach einem eher unabsichtlichen Hopser über einen Fahrbahnbegrenzer konnte ich auf der freien Busspur noch mal ganz nach vorne fahren und war heilfroh, dass mir der Sprung mit 60 km/h zurück ohne Sturz gelang. Auch wenn ich mich schon als Ronny des Tages gesehen habe.

Sehr gut positioniert begann der Sprint bei 300 Metern, leider fehlte mir der letzte Punch und habe mich noch auf Platz 14 gerettet. Wichtig hierbei zu erwähnen ist, dass ich einge ProContinental-Fahrer hinter mir lassen konnte.

Ich denke, dass wir uns bei unserem Saisonstart von unserer fotogenen Seite zeigen konnten und wir auf darauf aufbauen können. Es war eine sehr gute Stimmung im Team, wir hatten viel zu lachen und konnten uns aufeinander verlassen. Jetzt geht es erstmal mit dem kompletten Team ins Trainingslager, um sich den letzten Feinschliff für die nächsten Rennen zu holen.

Ich hoffe, ihr hattet Spaß am lesen und verfolgt unsere Saison weiterhin.

Kessler out
Euer Robert