Westmattelmanns Luxemburg-Tagebuch

Daniel Westmattelmann führt uns in seinem Tagebuch hinter die Kulissen der ŠKODA Tour de Luxemburg und gibt uns einen Einblick ins Profileben auf und neben der Rennstrecke.


Etappe 1 - 01.06.2017

Der heutige Tag fing für uns bereits gut an! Da Luc heute Geburtstag hat, gab es bereits vor der Etappe etwas zu feiern und das obligatorische Ständchen durfte beim Frühstück natürlich auch nicht fehlen. Bei sonnigem Wetter und Temperaturen um die 30 Grad konnten wir es uns vor dem Start noch im Fahrerlager gemütlich machen.

Nach der Neutralisation ging das Rennen direkt schnell los, da viele Fahrer in die Gruppe des Tages wollten, um sich eine der Sonderwertungen zu sichern. Wir haben uns beim Attackieren und Mitspringen sehr gut abgewechselt, aber schlussendlich war es wieder einmal Raphi Freienstein, der das richtige Auge und den nötigen Punch hatte, um es in die Ausreißergruppe zu schaffen.

Momentan hat er die Plätze in den Spitzengruppen regelrecht abonniert, da er es bereits beim GP de la Somme und in der letzten Woche beim Flèche du Sud fast täglich geschafft hat dem Feld zu einteilen.

Raphi und seinen beiden Mitstreitern wurden maximal sechs Minuten zugestanden und hinten wurde das Rennen den ganzen Tag über sehr kontrolliert gefahren. Nach seinem soliden 19. Platz im gestrigen Prolog konnte Raphi heute alle drei Sprintwertungen gewinnen und ist damit auf Rang vier in der Gesamtwertung vorgerutscht. Er liegt damit lediglich eine Sekunde hinter dem Podiumsplatz von Greg van Avermaet.

Nebenbei konnte Raphi auch bei den beiden Bergwertungen des Tages punkten, wodurch er nur zwei Punkte Rückstand auf das Bergtrikot hat. Auch wenn unser Sprinter Joshi Huppertz im Finale durch einen Sturz aufgehalten wurde und somit eine Top-10 Platzierung verpasst hat, können wir mit dem heutigen Tag mehr als zufrieden sein.

Morgen stehen 178km von Steinfort nach Walferdange auf dem Programm. Es warten sechs Bergwertungen auf uns und Regenschauer sind vorhergesagt, weshalb ich mit einer deutlich schwereren Etappe als heute rechne. Wir werden alles daran setzen Raphis gute Ausgangsposition zu verteidigen.

Gleich geht’s nach der Massage zum Abendessen, wo sicherlich bei einer der errungenen Sektflaschen der Korken knallen wird.

Bis morgen,
euer Daniel

 

Etappe 2 - 02.06.2017

Nach einer erholsamen Nacht mit über acht Stunden Schlaf, was für mich zuhause werktags eher ungewöhnlich ist, gab es heute ein ausgiebiges Frühstück, bei dem wir zeitgleich die heutigen 178km mit sechs Bergwertungen besprochen haben. Für uns ist es von großem Vorteil, dass wir mit Serge Christensen einen sportlichen Leiter aus Luxemburg dabei haben, da er jeden Anstieg und jede Gefahrenstelle bestens kennt. Um Raphis gute Ausgangsposition zu verteidigen, bekam er heute ein striktes Verbot zu attackieren, an das er sich dann auch gehalten hat.

Nach rund 15km stand die dreiköpfige Gruppe des Tages, aber BMC hat die Ausreißer heute an der sehr kurzen Leine gehalten, indem ihnen nicht mehr als drei Minuten zugestanden wurde. Zwischenzeitlich hat es für eine ganze Weile bei gut 20 Grad geregnet. Dadurch hatten Serge und unser Mechaniker gut zu tun, da jeder Fahrer etwas anderes überziehen wollte. Obwohl im Begleitfahrzeug so ziemlich jede Regentasche ausgeräumt wurde und der Innenraum des Begleitfahrzeuges zwischenzeitlich dem Wühltisch eines Textil-Discounters glich, haben wir sehr schnell unsere Sonderwünsche erfüllt bekommen.

Bis Kilometer 130 lief das Rennen so vor sich hin, aber bevor mehrere Bergwertungen aufeinander folgten, wurde das Tempo drastisch erhöht, so dass das Feld langsam aber sicher auseinanderfiel. Ich konnte heute nicht mit den besten am Berg mithalten, aber das ist nach dreiwöchiger krankheitsbedingter Rennpause auch nicht verwunderlich. Daher bin ich froh über jeden Rennkilometer, den ich hier mitnehmen kann.

Als vorne die Post abging, war es dann wieder Raphi, der sich in Szene setzen konnte. Im Sprint des dezimierten Feldes wurde er 13. und belegt jetzt in der Gesamtwertung einen starken 5. Platz. Morgen steht mit einer Länge von 193km die längste Etappe der Rundfahrt auf dem Programm, wobei wieder sechs Bergwertungen auf uns warten. Mit dem 5. Platz in der Gesamtwertung sind wir momentan noch mehr als auf Kurs und werden morgen wieder versuchen, Raphi bestmöglich zu unterstützen.

Ich freue mich jetzt auf die Massage und werde anschließend noch etwas arbeiten, bevor ich mich dann von meiner Freundin über die Neuigkeiten in der Heimat informieren lasse und dann sicherlich gut schlafen kann.

Bis morgen,
Euer Daniel

 

Etappe 3 - 03.06.2017

Am heutigen Tag stand die vermeintliche Königsetappe auf dem Programm. Die 193km von Eschweiler hinauf zur Kaserne in Diekirch waren mit sechs Bergwertungen gespickt, sodass insgesamt über 3.000 Höhenmeter zu überwinden waren. Auf dem einstündigen Transfer zum Start gab es für uns noch ausreichend Zeit, sich in Ruhe das Streckenprofil anzuschauen oder sogar den ein oder anderen Streckenabschnitt aus dem Autofenster zu inspizieren.

Das Rennen ging heute wieder sehr schnell los und nach einer beherzten Attacke dachte ich für kurze Zeit, ich hätte es in die Gruppe des Tages geschafft. Aber so ging es anschließend auch dem ein oder anderen meiner Teamkollegen, sodass es bis zur ersten Bergwertung dauerte, bis sich eine vierköpfige Spitzengruppe absetzen konnte.

BMC hat anschließend wieder das Rennen in die Hand genommen und die Ausreißer auf drei Minuten gehalten. Hinten ging es für uns dann wieder darum, Kräfte zu schonen, ausreichend zu essen und zu trinken. Acht Trinkflaschen gehen auf so einer Etappe bei schwülen Bedingungen schnell durch.

Als bei Kilometer 140 die Schlussrunde immer näher rückte, wurde es auch im Feld zunehmend nervöser. Wir konnten uns als Mannschaft gut sammeln und somit Raphi Freienstein ordentlich auf der Schlussrunde platzieren. Als es hinauf zur letzten Bergwertung ging, musste ich gemeinsam mit Joshi Huppertz und Chris Hatz abreißen lassen, sodass Raphi auf den letzten Kilometern auf sich allein gestellt war und wir ruhig mit einer größeren Gruppe ins Ziel fahren konnten.

Raphi hat sich bei der kleinen Bergankunft noch mal stark in Szene gesetzt und liegt nach seinem heutigen 17. Etappenplatz auf noch auf einem sensationellen achten Rang in der Gesamtwertung.

Nach der Etappe haben wir uns schnell auf dem Heimweg gemacht, wobei unsere Physiotherapeutin Augusta es sich nicht hat nehmen lassen, uns die Heimfahrt mit einem Eis zu versüßen. Nach dem Champions-League-Finale wird sicherlich zeitnah der Fernseher ausgemacht, da morgen nochmal bergige 175km von Mersch nach Luxembourg anstehen.

Und morgen werden wir wieder viel Kraft benötigen, um die gute Position in der Gesamtwertung zu verteidigen. Greg van Avermaet hat mit seinem zweiten Etappenplatz heute nochmal unterstrichen, dass bei der Vergabe des Gesamtsieges wohl kein Weg an ihm vorbeigeht.

Ich freue mich wieder auf die fröhliche Stimmung am Streckenrand und hoffe, dass unsere Mannschaft moren etwas zu feiern hat!

Bis morgen,
euer Daniel

 

Etappe 4 - 04.06.2017

Im Gegensatz zu den letzten Tagen klingelte der Wecker heute schon früh, nämlich um 7:30 Uhr. Anschließend wurde nochmal ausgiebig gefrühstückt und nachdem alle Taschen gepackt waren, ging es zum Start nach Mersch. Von dort aus führte uns die 175 Kilometer lange Etappe über sieben Bergwertungen nach Luxembourg-Stadt. Nachdem in den letzten Tagen die Plätze in der Spitzengruppe hart umkämpft waren, saß heute direkt die Startattacke von Chris Hatz und er konnte sich gemeinsam mit drei Mitstreitern vom Feld lösen. Der Vorsprung wuchs schnell auf sieben Minuten an, und zunächst kontrollierte BMC das Tempo im Feld.

Als Verandas Willems nach der Hälfte des Rennens mit in die Führungsarbeit  einstieg, schmolz der Vorsprung der Spitzenreiter rasant. Doch noch bevor die Ausreißer eingeholt wurde, ging die Springerei im Feld wieder los. Joshi Huppertz war sehr aufmerksam und konnte mit weiteren Fahrern zur Spitzengruppe aufschließen. Währenddessen haben wir Raphael Freienstein im Feld vorne gehalten, um ihn in guter Position auf die bergige Schlussrunde zu bringen.

Dann erlebten wir einen Schreckmoment, als unser Kapitän kurz vor der Einfahrt nach Luxembourg-Stadt einen Defekt hatte. Doch noch vor der Bergwertung auf der Schlussrunde gelang es uns, ihn wieder nach vorne zu fahren. In der Schlussrunde wurden die letzten Ausreißer eingeholt und es kam zum Bergaufsprint.

Raphi hat sich auch heute sehr gut verkauft und belegt in der Schlussabrechnung einen starken 15. Platz. Aber nicht nur deshalb können wir mit der Rundfahrt hochzufrieden sein, denn auf zwei von vier Etappen waren wir in der Spitzengruppe vertreten.

Ein großer Dank gilt unseren Betreuern, die sich bestens um uns gesorgt haben. Unglaublich, was Serge Christen alles für uns organisiert hat! Jetzt freue ich mich erstmal auf die Heimat. Am Dienstag geht es ins Büro und schon am Mittwoch mache ich mich auf den Weg zur Tour de l’Oise. Dort werde ich dann weitere wichtige Rennkilometer sammeln können. Die Tour de Luxembourg hat mir sehr gut gefallen und ich bin froh, dass es von Tag zu Tag besser lief.

Au revoir,
Daniel